Cheftrainer im Reich der Mitte

Markus Jahn , Cheftrainer der U-21  beim chinesischen Fußball-Erstligisten Beijing Sinobo Guoan FC, gibt uns spannende Einblicke in seinen Arbeitsalltag in China, seinen bisherigen Karriereweg im Trainer- und Funktionärswesen und interessante  Tipps für einen erfolgreiche Karriere im Fußballbusiness.

Marcus Jahn (geb. am 26.03.1986 in Luckenwalde)
Aktueller Verein: Beijing Sinobo Guoan FC – chinesischer Fußball-Erstligist
Bisherige Vereine als Spieler: u. a. Sport Klub Windhoek/Namibia, 1. FSV Mainz 05, FC Energie Cottbus
Bisherige Vereine als Trainer/Funktionär: u. a. FSV Zwickau, SSV Jahn Regensburg, SG Dynamo Dresden, FSV Frankfurt a. M

Was sind deine Tätigkeitsfelder als Cheftrainer der U21 und wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

Neben meiner eigentlichen Tätigkeit als U21-Cheftrainer zeichne ich in der Akademie auch für die Sportliche Leitung des Übergangsbereiches – sprich Anschlusskader der Profis sowie für die trainingsinhaltliche Planung und die Belastungssteuerung der U19 verantwortlich. Somit beginnt ein exemplarischer Tag um 08:00 Uhr mit einem gemeinsamen Frühstück aller Kollegen und Spieler in der Nachwuchsakademie, ehe anschließend ein Meeting mit dem Trainer- und Funktionsteam beider Mannschaften vor dem Vormittagstraining stattfindet. Hierbei werden die aktuellen Trainingsinhalte des Tages, die Belastungsnormative und die Spielergruppen für das Schwerpunkttraining festgelegt. Nach dem Mittagessen folgen für die Spieler eine kurze Ruhephase und für alle hauptberuflichen Trainer Videoschulungen mit der Akademieleitung für die nachhaltige Implementierung und Identifikation mit der neuen einheitlichen Spielphilosophie. Je nach vorheriger Trainingsintensität und in Abhängigkeit des Wochentages sowie kommenden Spieltages steht gelegentlich nachmittags die zweite Trainingseinheit auf dem Programm. In der Regel endet jeder Tag mit dem Nachbereiten und Einpflegen des Trainings samt Spielerbenotung in der klubeigenen Datenbank sowie individuellen Spielergesprächen gegen 20:00 Uhr.

Welchen Karriereweg hast du gewählt, um da zu sein, wo du heute bist?

Das Trainerdasein zieht sich, wie ein „Roter Faden“ bereits frühzeitig durch mein bisheriges Leben. Neben meiner eigenen leistungssportlichen Laufbahn, angefangen bei meinem Heimatverein FSV 63 Luckenwalde, über den FC Energie Cottbus, Kadermitglied der U16 bis U18 Nationalmannschaft des Deutschen Fußball-Bundes bis hin zu Einsätzen in der damaligen U23-Mannschaft des 1. FSV Mainz 05, habe ich im Alter von 16 Jahren die C-Lizenz erworben und in Luckenwalde im Trainerteam die E- und D-Junioren trainiert. Parallel auf dem Weg – den großen Traum „Profifußballer“ zu verwirklichen – war es immer schon mein Ziel ein Studium der Sportwissenschaften zu beginnen, welches ich mit dem Diplom 2012 erfolgreich beendete und eben auch die Trainerlizenzen zu erwerben. Mit 28 Jahren habe ich dann die Fußball-Lehrer-Ausbildung an der HennesWeisweiler-Akademie des DFB an der Sportschule Hennef abgeschlossen und begann zudem ein Fernstudium mit dem Ausbildungsabschluss „Sportmanager“. Im Laufe der Jahre durfte ich sehr intensive, lehrreiche und wertvolle Erfahrungen sowohl auf Funktionärs- und der Trainerebene in verschiedenen Nachwuchsleistungszentren bei deutschen Zweit- und Drittligisten sowie in den Junioren-Bundesligen sammeln.

Was waren deine Beweggründe für eine berufliche Tätigkeit im Fußballbusiness?
Der Sport wurde mir sprichwörtlich „in die Wiege“ gelegt und so entstamme ich aus einer sehr sportlichen und leistungsorientierten Familie. Sowohl mein Großvater war einer der erfolgreichsten Ringer in der ehemaligen DDR und die erfolgreichen Einflüsse des Rettungsschwimmens väterlicherseits färbten entsprechend ab. So war meine erste Berührung im Sport nicht der Ball, sondern das Wasser, ehe meine Begeisterung für das „runde Leder“ geweckt wurde. Durch die bis dato lebenslange Verbindung zum Leistungssport gab es für mich gar keine andere Alternative als dem Fußball auch im Berufsleben treu zu bleiben.

Gab es einen besonderen Moment in deiner Laufbahn der dich besonders geprägt oder beeinflusst hat?

Da gibt es einige Momente, wenn man jung und zielstrebig ist. Aber ein sehr prägender Moment war, damals mit sehr jungen Jahren durch die Aufnahme auf die Lausitzer Sportschule in Cottbus verbunden mit dem einhergehenden Wohnen im Internat und somit als Kind seinen heimatlichen Freundeskreis aufgeben zu müssen, seine Familie nicht mehr jeden Tag oder durch die Entfernung wöchentlich sehen zu können, als auch die „eigenen Gesetze“ des Internatslebens kennenzulernen.
Ein streng durchgeplanter Tagesablauf mit zwei Stunden Unterricht am Morgen, dann Vormittagstraining, nachmittags wieder Schule bis 16:30 Uhr, ehe anschließend die zweite Trainingseinheit folgte. Dazu kam der brutale Leistungsdruck dazu und anders als in den heutigen modernen Leistungszentren gab es keine Sportpsychologen oder geschweige denn die Sensibilisierung der heute groß geschriebenen „Individualisierung“. Gefühle zeigen, Leistungsreduktion oder -stagnation hatten das Ausscheiden an der Sportschule sowie aus dem Sportfördersystem zur Folge. Somit hat man gelernt frühzeitig für sich selbst im Leben Verantwortung zu übernehmen und manchmal sehr hart gegen sich selbst zu sein.

Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Eigenschaften, die man für eine Karriere im Fußballbusiness mitbringen sollte?
Neben den Grundeigenschaften wie Zielstrebigkeit, Fleiß, klare Zielformulierung und Ehrlichkeit würde ich respektvolle Umgangsformen aufzählen. Aber auch Stressresistenz und Weltoffenheit können eine gute Grundlage darstellen, um sich im steinigen „Haifischbecken“ Fußballbusiness durchzuboxen. Aber wenn ich von mir ausgehe, dann treibt mich eine extrem große Leidenschaft zu meinem Beruf an und es ist einfach spannend an der Entwicklung von jungen Menschen oder einer Mannschaft beteiligt und im besten Fall auch noch maximal erfolgreich zu sein.

Was würdest du jemandem Empfehlen der in der Fußballbranche Beruflich weiterkommen oder auch Fuß fassen möchte?

Neben den bereits genannten Eigenschaften, kann es von Vorteil sein, eine breite Ausbildungspalette durchlaufen zu haben. Ebenso können ein umfangreiches Netzwerk sowie Fremdsprachenvielfalt von großer Bedeutung sein, gerade wenn man auch international seinen Weg gehen möchte.

Wie kamst du zu deiner Anstellung in China? Ist die Nachwuchsarbeit in China, mit der im Europäischen Raum vergleichbar?
Als ich mit meiner ehemaligen U19-Nationalmannschaft Ungarns im Mai 2017 ein großes prestigeträchtiges Fußballturnier in der chinesischen Großstadt Chengdu gewonnen habe, konnten wir somit durch eine besondere Art und Weise, wie wir dort Fußball gespielt haben, auf uns aufmerksam machen. Wie es dann in so einem Fall üblich ist, scheint die Fußball-Welt doch sehr klein sein, sodass ich eines Tages mit dem Generalmanager unseres Klubs während des Trainingslagers im spanischen Valencia meinen Vertrag unterschrieben habe.
Ein großer Vorteil in diesem riesigen Land ist, dass die chinesische Regierung vor einigen Jahren die Förderung der Sportart Fußball und speziell die Nachwuchsarbeit als Staatsauftrag an alle Vereine ausgerufen hat und somit sport-politisch die Entwicklungen steuert. China hat es sich zur nachhaltigen Aufgabe gemacht, das europäische Fußballsystem von der Nachwuchsförderung bis zur Chinese Super League unter Berücksichtigung der eigenen landestypischen Kultur und Mentalität zu implementieren. Die Chinesen nehmen sich auf den langfristigen Weg zur Weltspitze – im Jahr 2030 will das Land unter den Top-5 des Weltfußballs gehören – die nachhaltig erfolgreichsten Länder im Bezug auf Qualität der Nationalmannschaften, Vereins- und im Nachwuchsfußballs zum Vorbild. Dadurch sind flächendeckend auch eine Vielzahl an erfolgreichen Trainern aus Europa auf verschiedenen Ebenen im ganzen Land verteilt. Einhergehend werden die europäischen Einflüsse wie u. a. in der täglichen Trainingssteuerung sichtbar. Die Nachwuchsarbeit in Europa ist weltweit das Maß aller Dinge, sodass China noch einen sehr langen Weg vor sich hat und dennoch sind die ersten professionellen Strukturen im Spielbetrieb des Nachwuchses spür- und erkennbar.

Was sind für dich die Pro- und Contra-Argumente für eine Karriere in der Fußballwelt?
Das ist eine spannende Frage! Ich denke, wie in jedem Berufszweig gibt es sogenannte „schwarze Schaafe“, die es mit der Ehrlichkeit im Alltag im Umgang mit Kollegen oder mit der Betreuung von Spielern nicht so genau nehmen. Ein Grund des Ganzen Dilemmas ist u. a. das unglaublich viele Geld im Fußball, welches im Umlauf ist und jegliche Vorstellungskraft durch horrende Summe gesprengt wird. Dennoch sollte man im Fußball nicht alles verteufeln, denn es ist immer noch die schönste Nebensache der Welt. Der Rasengeruch in der Kabine und eben auch, das darf man nicht vergessen, Fußball verbindet Völker. Die Hautfarbe spielt im Fußball keine Rolle, egal ob jung oder alt, jeder hat Spaß dem runden Leder hinterher zu jagen oder freut sich während seiner Arbeitswoche wie ein kleines Kind auf das bevorstehende Wochenende, um als Fan seinen Lieblingsklub auf der Couch oder live im Stadion zum Sieg zu pushen. Er vermittelt in unserer immer angespannteren Gesellschaft nachhaltige Werte wie Fairplay, Respekt, Toleranz und baut wichtige gesellschaftliche Brücken zu anderen Ländern und Kulturen.

Fußballspieler die dich früher oder auch heute besonders beeindruckt haben?

Mich haben während meiner eigenen Laufbahn nie extrovertierte Superstars interessiert, sondern bodenständige Spieler, die auch heute nach ihrer großen Fußballerkarriere sich beruflich ein zweites Standbein aufgebaut haben und mit beiden Beinen fest im Leben stehen. Aufgrund ihrer heutigen Tätigkeiten geben sie dem Fußball auch wieder etwas Authentizität zurück. Beeindruckt haben mich als Kind bzw. Jugendlicher Lothar Matthäus, Thomas Helmer, Philipp Lahm oder Matthias Sammer.

Wie sieht dein Plan für die Zukunft aus, was sind deine persönlichen Ziele?

Das wichtigste Gut ist die Gesundheit. Wenn meine Familie und Freunde gesund bleiben, dann bin ich grundsätzlich zufrieden. Beruflich gesehen habe ich in den vergangenen 10 Jahren im Trainer- und Funktionärswesen einen vielfältigen und umfangreichen Erfahrungsschatz angesammelt, sodass ich täglich durch gute Arbeit auf mich aufmerksam machen möchte, um den Sprung kurz- bis mittelfristig in den Profibereich zu schaffen und mit einer klaren ausdruckstarken Spielidee eine Mannschaft zu formen, weiterzuentwickeln und vor allen Dingen besser zu machen.